Faris Al-Sultan: 'Ich bleibe ein kritischer Geist und unbequemer Typ' (2024)

AZ-Interview mit Faris Al-Sultan: Der Münchner gewann 2005 den Ironman in Hawaii. Später war er Triathlon-Bundestrainer, zuletzt sorgte er mit Aussagen zu Corona für Schlagzeilen.

AZ: Herr Al-Sultan, mussten Sie, der ehemalige Ironman-Sieger in Hawaii, in Ihrer Triathlon-Karriere schon mal im Olympiasee schwimmen?
FARIS AL-SULTAN: Nein, die trübe Brühe blieb mir erspart. Aber als Triathlet bist du einiges gewöhnt. In Bangkok führte die Schwimmstrecke durch den Fluss, in dem tote Hunde neben dir hertreiben. Ich denke, da schwimmt man wie jetzt gern durch den Olympiasee.

Sie hätten als Bundestrainer dabei sein können, erklärten dann aber im Frühjahr 2020 überraschend Ihren Rücktritt.
Richtig, am 26. März hatte ich damals den Verband informiert, dass ich nicht mehr weitermache und zum 30. September aufhöre. Ich hatte einfach keine Lust mehr, dazu kamen kleinere interne Streitigkeiten. Mein Traumjob war das eh nicht, also habe ich aufgehört.

"Ich weiß, das war drastisch formuliert, aber es traf schon den Punkt"

Mit Ihren umstrittenen Aussagen zur deutschen Corona-Politik hatte das nichts zu tun?
Nein. 100 Prozent.

Im April 2020 schrieben Sie in einem Leserbrief an den "Spiegel", Sie würden sich schämen für ein Volk, das die Corona-Maßnahmen widerspruchslos hinnehme, "die Hände an die Hosennaht legt und 'Jawohl, mein Führer' schreit". Meinten Sie das wirklich im Ernst?
Ich weiß, das war drastisch formuliert, aber es traf schon den Punkt. Natürlich wollte ich Aufmerksamkeit und die Menschen zum Nachdenken bringen, ob die Anordnungen wirklich alle verhältnismäßig waren und ob unser Schiff wirklich auf dem richtigen Kurs segelt. Ich war und bin noch immer der Überzeugung, wir waren auf dem komplett falschen Kurs unterwegs.

Sind Sie Corona-Leugner?
So ein Blödsinn, natürlich gibt es das Virus und ja, es ist gefährlich, und es sind auch Menschen daran gestorben. Nur wurde die Dimension völlig aufgebläht, man hat gerade in Deutschland die Welt völlig ohne Not in komplette Panik versetzt, während man in Schweden etwa das Leben weiterlaufen ließ.

Dafür ist in Schweden die Letalitätsrate mit Corona-Todesfällen mit 0,76 Prozent viel höher als in Deutschland mit 0,46 Prozent.
Zum Großteil starben in beiden Ländern ältere Menschen und Risikopatienten mit Vorerkrankungen. Darum sage ich, dass es absolut wichtig ist, die vulnerablen Gruppen zu schützen und an die Eigenverantwortung zu appellieren. Nur greife ich mir ans Hirn, wenn mir verboten wird, auf einer Parkbank ein Buch zu lesen. Oder wenn die Polizei Kinder von einem Rodelhügel scheucht. Oder wenn ich am Feldmochinger See nicht grillen darf, mein daheim gegrilltes Würschtl aber sehr wohl mitbringen darf. Wer sich so etwas einfallen lässt, hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Aber dann wie jetzt bei hohen dreistelligen Inzidenzen die Wiesn zulassen und im September 6.000 Menschen wieder ins Bierzelt stecken. Hoch die Massen. Das ist doch alles völlig Banane.

"Vergleiche mit der Nazi-Keule sind erfahrungsgemäß sehr unklug"

Es gibt einige, die sprechen gern von einer Gesinnungsdiktatur, die in Deutschland herrsche. Wie kann es da sein, dass Kritiker wie Sie oder viele andere überhaupt zu Wort kommen dürfen und frei ihre Meinung äußern dürfen? Das geht doch nicht zusammen.
Ich sage nicht, dass jeder, der nicht auf Linie ist, abgeholt und in den Gulag gesteckt wird. Aber wenn ich mir die Talkshows der letzten zwei Jahre anschaue: Es gab nie eine kritische Stimme. Ich hätte mir Debatten gewünscht, in denen die Befürworter der Maßnahmen mit den Argumenten der Kritiker konfrontiert und auch mal runtergeputzt werden. Genauso umgekehrt, sehr gerne. Aber so eine Diskussion kam nie zustande, weil man seine Meinung zwar frei äußern darf, aber nicht in den Medien.

Das tun Sie doch gerade.
Das ist aber eine Ausnahme. Auch der Lungenfacharzt Dr. Vosshaar, der schon früh vor Panikmache warnte und Lockerungen forderte, wurde nicht gehört.

Das stimmt nicht. Vosshaar läuft in Print und Fernsehen doch rauf und runter.
Inzwischen schon, anfangs nicht. Oder auch Professor Bhakdi, der in einem offenen Brief zehn Fragen an die damalige Bundeskanzlerin stellte. Er fand einfach nicht mehr statt.

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Dafür hörte man von ihm, als er im Zusammenhang mit der Zulassung von Corona-Impfstoffen vom "Endziel" und einem zweiten Holocaust sprach, weshalb er sich eine Anzeige wegen Volksverhetzung einfing. Der von Ihnen gern zitierte Bodo Schiffmann wurde angeklagt, weil er Impfärzte mit KZ-Arzt Josef Mengele verglichen haben soll. Geht's noch?
Solche Vergleiche mit der Nazi-Keule sind erfahrungsgemäß sehr unklug, das ist wahr. Und von diesen von Ihnen erwähnten Personen und vielen anderen gibt es nicht einen, der nicht mindestens einmal kompletten Schwachsinn abgesondert hat. Das ist Müll. Es ist aber klar, dass der Umgang mit Corona die größte Katastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik ist. Die ganzen Folgen sind jetzt noch nicht abzusehen, die gesellschaftliche Erosion, die Konsequenzen für das Gesundheitswesen, im Sozialsystem und allen voran in der Bildung. Ich habe selbst zwei Kinder mit sechs und acht: Was wir dieser Generation mit den Schulschließungen angetan haben, das steht jetzt bei uns im Buch des Lebens. Dafür werden wir uns noch vor dem Jüngsten Gericht verantworten müssen.

"Ich bleibe garantiert ein kritischer Geist und ein unbequemer Typ"

Sie sind 2021 der Partei "Die Basis" beigetreten, waren sogar bei der Bundestagswahl auf Abruf Ersatzkandidat für ein Direktmandat. Die Partei gilt als Sammelbecken für unterschiedliche Strömungen, von Reichsbürgern bis QAnon-Anhängern, von Verschwörungsschwurblern bis zu Antisemiten. Das stört Sie nicht?
Ich kenne nicht jedes der 30.000 Mitglieder, und es sind garantiert Spinner dabei, die glauben, der Verfassungsschutz hätte ihr Schlafzimmer verwanzt. Schwachsinn. Das ist eine sehr heterogene Truppe, in der viele Leute anfällig für alle möglichen Informationen, also auch falsche Tatsachen, sind. Wenn ich aber bei uns im Kreisverband die Mitglieder anschaue, sind das Bürger, die alle fest im demokratischen Spektrum verwurzelt sind und schwer enttäuscht sind von der Politik der Regierung. Und die sich etwa darüber ärgern, wenn der Kanzleramtsminister wie einst Helge Braun verspricht, dass die Einschränkungen vorüber seien, sobald jeder Mensch ein Impfangebot hat. Hatten wir ab dem Moment unser altes Leben wieder? Hatten wir nicht. Dagegen wehren wir uns.

Sie sprachen einmal vom Ziel einer "Systemänderung". Planen Sie einen Putsch, einen Umsturz?
Quatsch. Damit meinte ich nur, dass die Basisdemokratie wieder besser funktionieren muss. Dass Volks- oder Bürgerentscheide, so wie in der Schweiz, rechtlich bindende Wirkung haben. Und nicht, dass sich die Mehrheit der Menschen in einem Entscheid zum Beispiel gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen ausspricht, und die Politik danach dennoch überlegt, ob man sie nicht lieber doch baut.

Sehen Sie Ihre Zukunft in der Politik? Wollen Sie in den Stadtrat, den Landtag oder ins Parlament nach Berlin?
Nein. Ich wollte nie Politiker werden, das wird nie meine Welt. Meine Welt ist der Sport, ich arbeite hauptberuflich als Privatcoach für Triathleten und kümmere mich ansonsten mit Freude um meine Familie und meine Kinder. Ich werde daher vor allem weiter Trainer und Familienvater sein. Aber ich bleibe garantiert ein kritischer Geist und ein unbequemer Typ.

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